Wir befinden uns bereits in den letzten zehn Tagen des heiligen Monats Ramadan. Dieser Monat ist für uns Musliminnen und Muslime immer wieder eine Zeit der Besinnung, Gemeinschaft und Nähe zu unserem Schöpfer. Fast ein viertel der Weltbevölkerung verteilt auf allen bewohnten Kontinenten der Erde eint in dieser Zeit das gemeinsame Fasten und eine spirituelle Verbundenheit. Wir gehen achtsam mit uns und unseren Mitmenschen um und genießen das gemeinschaftliche Fastenbrechen am Abend und die Gebete in der Moschee.

Ramadan ohne Gemeinschaft? Das konnten sich die meisten von uns nicht vorstellen. Dennoch sind wir in diesem Jahr mit einer außergewöhnlichen Situation konfrontiert. Die weltweite Ausbreitung des SARS CoV-2 (auch bekannt als Coronavirus) versetzt uns alle in eine besondere Lage. Kontakte müssen gemieden werden, um die Ausbreitungskurve so flach wie möglich zu halten. Moscheen öffnen ihre Türen für Gebete nur noch unter bestimmten Auflagen. Die gemeinschaftlichen Gebete oder die Speisung von Armen und benachteiligten Menschen zum Iftar konnten so, wie wir sie kennen in Moscheen nicht stattfinden, Familien und Freunde konnten sich nicht besuchen, manche Menschen mussten Ramadan dieses Jahr auch allein verbringen.

Ramadan allein verbringen…für viele eine ungewohnte und unangenehme Situation. Ramadan wäre jedoch nicht Ramadan ohne Empathie und Solidarität. Für einige ist das Fasten auch eine Möglichkeit nachzuempfinden, wie Menschen sich fühlen müssen, die nicht den gleichen Zugang zu Nahrungsmitteln und Wasser haben wie man selbst. Wir spüren am eigenen Leib was benachteiligte Menschen täglich leben und verdeutlicht uns wie wichtig es ist zu Spenden und für andere Menschen da zu sein. Darüber hinaus erfüllt es uns auch mit Demut und Dankbarkeit für das was wir haben.

Dieser Ramadan ist in jeder Hinsicht außergewöhnlich und gleichzeitig lehrreich. Uns ist oft nicht bewusst, dass es ein Privileg ist, Ramadan und das Opferfest in Gemeinschaft verbringen zu dürfen. Wir vergessen sehr leicht, dass nicht alle Musliminnen und Muslime auf der Welt eine Gemeinschaft haben, mit der sie diese spirituellen Zeiten und Feste verbringen können. Denken wir an ausgewanderte Menschen, die allein an Orten leben, in denen es keine muslimische Community gibt. Denken wir an Menschen, die gerade konvertiert sind, deren Familien sie vielleicht sogar deshalb ablehnen und, die noch keinen Anschluss an die muslimische Gemeinschaft gefunden haben. All diese Menschen verbringen auch außerhalb der aktuellen Pandemie ihr Iftar in Einsamkeit. Das vielleicht schon unbemerkt Jahre lang, aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Wir gedenken der Armen, wir spenden, wir fühlen ihnen körperlich nach, das ist uns bekannt. Lasst uns also die aktuelle Lage auch nutzen und derer gedenken die wir oft vergessen, die Musliminnen und Muslime unter uns, die zu Ramadan einsam sind. Sehen wir diesen außergewöhnlichen Fastenmonat als eine Chance uns auch in diese Menschen hineinzuversetzen, Solidarität und Demut zu zeigen und dankbar zu sein für die Gemeinschaft, die wir haben.